100 Tage in Verantwortung – die vielzitierte „Schonfrist“ ist vorbei. Ein Interview von Mariazell Online mit dem Bürgermeister der Stadtgemeinde Mariazell Walter Schweighofer
Die ÖVP Mariazeller Land hat in ihrem Wahlprogramm eine Menge Veränderung angekündigt, was hat sich in diesen 100 Tagen getan?
Schweighofer: Auch wenn sich „100 Tage“ sehr viel anhört, so ist es doch ein relativ kurzer Zeitraum. Da die ÖVP Mariazeller Land bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Gemeinderats am 4. August aufgrund der bis dahin gegebenen Mehrheitsverhältnisse in viele Abläufe und Entscheidungen in der Gemeinde kaum oder teilweise nur oberflächlich eingebunden war, war zuerst einmal viel Zeit für die Übernahme der Amtsgeschäfte und für die Einarbeitung in laufende Aktivitäten erforderlich. So blieb bisher relativ wenig Zeit, sich um neue Projekte zu kümmern, wenngleich die im Wahlkampf aufgegriffenen Themen natürlich nicht aus den Augen verloren wurden und auch bereits erste Arbeiten erledigt wurden.
Meine ersten 100 Tage waren natürlich aber auch geprägt von der Situation rund um die Corona-Pandemie, die nicht nur mich als Bürgermeister, sondern uns alle inzwischen mehr denn je beschäftigt und uns vor große Herausforderungen stellt.
Wie gestaltet sich der Arbeitstag eines Bürgermeisters?
Schweighofer: Mein erster Weg in der Früh führt mich in meinen Stall, wo ich mich um die Tiere auf meinem Hof kümmere. Danach stärke ich mich bei einem ausgiebigen Frühstück, bei dem ich die Nachrichten höre, die Tageszeitungen durchblättere und meine E-Mails abrufe. Um 7:30 Uhr mache ich mich dann auf den Weg ins Bürgermeisterbüro, wo ich mich – tatkräftig unterstützt von den Mitarbeitern im Stadtamt – um das übliche Tagesgeschäft eines Bürgermeisters kümmere. Sofern keine Außentermine oder Dienstreisen auf der Tagesordnung stehen, verbringe ich den ganzen Tag an meinem Schreibtisch und am Telefon und beschäftige mich mit den täglichen Aufgaben, die dieses Amt mit sich bringt. Abends wartet so manche Sitzung in den diversen Gremien oder die eine oder andere gesellschaftliche Verpflichtung auf mich, bei denen mich fallweise auch meine Frau Veronika gerne begleitet. Die seltenen freien Abende verbringe ich üblicherweise zuhause mit einem guten Buch oder manchmal auch mit Freunden bei einem Glas Wein, gerne auch in einem der Gasthäuser im Mariazeller Land, sofern es möglich ist.
An dieser Stelle möchte ich meinen Mitarbeitern im Stadtamt und meinem Team der ÖVP Mariazeller Land, ganz besonders aber meiner Frau und meiner Familie danken, die mir tatkräftig zur Seite stehen und mir so den Freiraum schaffen, dass ich die Zeit aufbringen kann, um das ehrenvolle Amt des Bürgermeisters gewissenhaft und mit vollem Engagement auszuüben.
Acht Kernthemen wurden von der ÖVP Mariazeller Land im Wahlkampf angekündigt, das erste Thema lautete „Gemeinsam für die Zukunft unserer Jugend“. Was ist darunter zu verstehen?
Schweighofer: Der Neubau unseres Schulzentrums ist mittlerweile auf einem guten Weg. Hier konnten in den letzten 100 Tagen viele weiterführende Gespräche geführt und einige weitere Details geklärt werden. Das Projekt liegt inzwischen zur Begutachtung bei der Landesregierung und ich erwarte diesbezüglich noch heuer einen positiven Bescheid.
Ein wirklich sichtbares erstes Zeichen für die Jugend ist der Skaterpark bei der Mittelschule Mariazell, für den die neuen Elemente bereits geliefert, aufgestellt und montiert wurden und sich bei der Jugend schon nach wenigen Tagen großer Beliebtheit erfreuen.
Zweites Thema war „Gemeinsam für ältere Menschen“, hat sich hier auch so viel getan?
Schweighofer: Dieses Thema ist eine besondere Herausforderung. Die Personalsituation im Pflegebereich ist bundesweit problematisch, da sind wir im Mariazeller Land keine Ausnahme. Dennoch habe ich auch hier bereits einige vielversprechende Gespräche geführt und bin zuversichtlich, dass wir auch in diesem Bereich schon bald eine Verbesserung der Situation zustande bringen könnten. So ist ein Pflegegipfel mit Vertretern des SHV sowie der Heimleitung bzw. der Pflegedienstleitung in Mariazell vor Ort geplant, um die Schwachstellen unseres Pflegeheimes zu diskutieren und Verbesserungsmöglichkeiten zu finden.
„Wirtschaft und Tourismus“ war im Wahlkampf die dritte Überschrift. Klassische ÖVP-Themen und für die Region besonders bedeutend, oder?
Schweighofer: Wallfahrt, Wirtschaft und Tourismus sind zentrale Säulen des Mariazeller Landes. Die enorme Frequenz am Erlaufsee im vergangenen Sommer hat uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Wir waren nicht untätig und haben die 100 Tage genützt, um bereits Vorgespräche für die moderate Um- bzw. Neugestaltung dieses Erholungsraums zu führen. Grundbesitzer und Behörden mussten selbstverständlich bei unseren Überlegungen und Vorstellungen mit eingebunden werden, ein Grundkonsens konnte aber bereits erzielt werden. In Kürze werden bereits die konkreten Planungsarbeiten für das Projekt Neugestaltung Erlaufsee beginnen können.
Tourismus ist für mich aber auch das Stichwort für unser viertes Wahlkampfthema, nämlich die „Politik mit Durchblick“. Hier wurde bereits begonnen, einen Überblick über die wirtschaftliche Situation der Mariazellerland GmbH zu erhalten. Eine finanzielle und personelle Entflechtung sowie eine Umstrukturierung und Neuausrichtung wird hier in absehbarer Zeit wohl unumgänglich sein. Der Landesrechnungshof hat anlässlich einer Überprüfung erst kürzlich unseren Stadtbetrieben ein sehr positives Zeugnis ausgestellt – und so soll es künftig auch bei allen anderen Tochterfirmen der Stadtgemeinde möglich sein, dass transparent und gewinnbringend gewirtschaftet wird.
Mit großer Skepsis betrachte ich allerdings die geplante Tourismusstrukturreform des Landes Steiermark. Im Rahmen dieser Reform ist geplant, den Tourismusverband Mariazellerland sozusagen „aufzulösen“ und in einen großen neuen Verband, eine sogenannte „Erlebnisregion“, einzugliedern, die den gesamten Bezirk Bruck/Mürzzuschlag umfasst. Aus meiner Sicht ist dies für die touristische Entwicklung des Mariazeller Landes nicht unbedingt vorteilhaft, daher kann und werde ich dieser „Zwangsfusionierung“ nicht zustimmen. Ich denke, dass wir diesbezüglich unbedingt unsere Selbstständigkeit bewahren und unsere langjährig aufgebauten und erfolgreichen Marken wie z.B. den Mariazeller Advent schützen müssen.
„Gemeinsam für unsere Vereine“ und „Gemeinsam mit der Bevölkerung“ waren die Themen fünf und sechs. Was ist diesbezüglich in den letzten 100 Tagen passiert?
Schweighofer: Aufgrund der Beschränkungen im Veranstaltungsbereich waren in den letzten drei Monaten – nicht nur im Mariazeller Land – leider viele Absagen zu verzeichnen. Trotzdem konnte ich bei vielen Vereinen oder deren Obleuten zumindest einen Antrittsbesuch absolvieren und mir die Anliegen der Vereine anhören. Fast jede Veranstaltung der heimischen Vereine wurde entweder von mir selbst oder von Mandataren aus meinem Team besucht.
Für die Bevölkerung gab es neben der gut besuchten Guglhupf-Party, die heuer unserer leider viel zu früh verstorbenen Freundin Liane Schrittwieser gewidmet war, auch die monatlichen Bürgermeistersprechtage, die jedes Mal gut besucht waren und wo mir viele Anliegen und auch Anregungen aus der Bevölkerung zugetragen wurden. Darüber hinaus habe ich bei den unterschiedlichsten Anlässen viele Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern des Mariazeller Landes geführt und dabei viele Ideen und Gedanken aufnehmen dürfen.
Last but not least – Landwirtschaft und Umwelt – was gibt es aus Bürgermeistersicht hier zu berichten?
Schweighofer: Gerade die jüngste Vergangenheit hat uns einmal mehr gezeigt, wie wichtig eine intakte Umwelt für uns alle ist. Sie ist nicht nur unser eigener Lebensraum, sondern auch Anziehungspunkt für unsere Gäste aus nah und fern und muss geschützt und bewahrt werden, wofür auch die Landwirtschaft einen guten Teil dazu beiträgt. Man erkennt schon, die Themen lassen sich nicht wirklich abgrenzen, sondern fließen in Wahrheit allesamt ineinander.
Dieses Ineinanderfließen der einzelnen Themen lässt den Fortschritt so manchen Projekts bei der Bevölkerung langsam und mühsam bis kaum feststellbar erscheinen. In Wahrheit ist es aber ein ständiges Hinterfragen und ein Zusammenspiel der vielen Einflüsse und Auswirkungen auf einzelne Entscheidungen, die wohl überlegt werden sollten und deshalb manchmal eben etwas länger dauern.
100 Tage Bürgermeister – was ist das persönliche Resumee von Walter Schweighofer?
Schweighofer: Das Bürgermeisteramt von Mariazell ist eine ehrenvolle, aber auch anstrengende und sehr zeitintensive Aufgabe. Die Aufarbeitung der Vergangenheit sowie die Einarbeitung in bestehende Verträge und Angelegenheiten gestaltet sich manchmal als Herausforderung, die Planung und Umsetzung von neuen Ideen und Projekten ist besonders in diesen schwierigen Zeiten manchmal langwierig und mühsam. Aber wie bereits erwähnt – ich habe motivierte Mitarbeiter am Stadtamt, ein engagiertes Team innerhalb der ÖVP Mariazeller Land und eine großartige Familie, die mir zur Seite stehen, mich unterstützen und auf die ich mich zu 100% verlassen kann.
Die vielen positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung, die unzähligen Glückwünsche und auch die hervorragende Zusammenarbeit mit den Verantwortungsträgern auf Bezirks-, Landes- und sogar Bundesebene geben mir täglich aufs neue die Zuversicht, dass das Mariazeller Land auf dem richtigen Weg ist. Das stärkt und motiviert mich und mein Team, uns tagtäglich dafür einzusetzen, das Mariazeller Land engagiert und leidenschaftlich mit Vernunft und Weitblick in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.
Das Interview führte Werner Girrer.