Die Evangelische Kirche in Mitterbach und die Basilika Mariazell erhielten den Bauherrenpreis 2017.
Der Bauherrenpreis, vergeben von der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, würdigt Bauvorhaben, welche in der Verwirklichung ihrer Bauaufgabe, der Ausführung, der architektonischen Gestalt, in ihrem gesellschaftlichen Engagement und innovatorischen Charakter als vorbildlich zu bezeichnen sind – exzeptionelle Lösungen, die auf Grund intensiver Kooperation von Bauherren und Architekten zustande gekommen sind.
Aus 23 nominierten von 82 eingereichten Projekten wurden zwei Projekte aus dem Mariazellerland 2017 mit dem Bauherrenpreis ausgezeichnet.
Bauherrenpreis für die Evangelische Kirche in Mitterbach.
Bauherrin Evangelische Pfarrgemeinde Mitterbach: Pfarrerin Birgit Lusche
Architektur Ernst Beneder/Anja Fischer, Wien
Errichtet von Holzknechten aus dem Dachsteingebiet, die im 18. Jh. vom Stift Lilienfeld angeworben wurden, um in den Wäldern des Ötschergebiets Holz für Wien zu schlägern, haben wir es mit der ältesten evangelischen Kirche und zudem der einzigen Toleranzkirche in Niederösterreich zu tun. Die Holzarbeiterfamilien waren „Geheimprotestanten“, erst 1781 gestattete ihnen das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. die Religionsausübung. Mit der Landesausstellung 2015, die sich der Geschichte der Evangelischen in der Region widmete, rückte die Geschichte des Bethauses wieder in den Fokus der Öffentlichkeit, was zusammen mit dem Lutherjahr 2017 eine günstige Konstellation bot, die längst fällige Renovierung der Kirche in Angriff zu nehmen.
Ernst Beneder und Anja Fischer fanden die Kirche im Wesentlichen im Zustand von 1970 und in einer bedrückenden Raumstimmung vor. Damals wurden die Seitenemporen abgetragen, die Hauptempore nach vorn erweitert, was die Blick- und Klangbeziehung vom Altarraum zur Orgel beeinträchtigte.
Nach eingehender Auseinandersetzung mit evangelischen Bautraditionen war für die Architekten klar, dass im praktischen wie konzeptionellen Sinn der Empore große Bedeutung zukommt und sie suchten dafür nach einer aktuellen Sprache, die im Geist der alten Holzfällerkirche die Funktionalität und Dramaturgie des Raumes verbessert.
Neben vielen kleinen und größeren Maßnahmen ist die neue Empore die augenfälligste Maßnahme.
Die lange Westempore wurde zurückgebaut, zwei neue Längsemporen kompensieren entgangene Fläche und bringen den durch die Lage der Kanzel asymmetrisch disponierten Raum wieder in Balance. Im feinen Gitterwerk der Brüstungen finden sich die Namen der ersten „Bekenner“ von 1782, die sich mutig offiziell als evangelisch meldeten; das wirkt bewusstseinsbildend und identitätsstiftend. Im Zusammenspiel aller Maßnahmen und beteiligten Akteure entstand eine raumplastische Komposition, in der Bestehendes und Neues wie selbstverständlich verschmelzen; mit hoher Sorgfalt, bis ins kleinste Detail überlegt und gestaltet.
Bei bescheidenem Budget und trotz kleinem Maßstab der Bauaufgabe entfaltet das Projekt Strahlkraft weit über die Pfarre hinaus.
Bauherrenpreis für die Basilika Mariazell und Geistliches Haus.
Basilika und Geistliches Haus, Mariazell
Bauherr: Superiorat Mariazell: P. Karl Schauer, P. Michael Staberl, BM Anton Nolz
Architektur: Feyferlik/Fritzer, Graz
In Zeiten, in denen bloß „schneller, höher, weiter“ zähle, sei es im Arbeitsleben eines Architekten ein Geschenk, ein Vierteljahrhundert mit einem Bauherrn an einem Projekt arbeiten zu können, so Wolfgang Feyferlik und Susanne Fritzer. Möglich war dies in Mariazell, katholische Hochburg und wichtigster Wallfahrtsort Österreichs mit über einer Million Besuchern pro Jahr. Das Projekt ist schwer zu fassen.
Eingebettet in ein Gesamtkonzept wurden zahlreiche Einzelmaßnahmen im ganz kleinen wie im großen Maßstab umgesetzt. Die große Kunst bestand darin, nicht den Überblick zu verlieren, keinen schnellen Moden anheimzufallen und neben den Schöpfungen von Domenico Sciassia und Johann Bernhard Fischer von Erlach bestehen zu können. Bei allen Interventionen galt es selbstverständlich, Geschichte und Spiritualität des Ortes mit zu bedenken. Das alles geschah respektvoll und gleichermaßen angstfrei vor der Last der Geschichte. Über all die Jahre wurden unter anderem ein neues Raum-, Farb- und Klangkonzept für die Basilika geschaffen, das vom Altarraum bis zu den Turmkammern reicht. Der Außenraum erhielt eine barrierefreie Neugestaltung. Im Osten der Basilika entstand eine Tagespilgerstätte mit Sanitär- und Aufenthaltsbereichen, deren windgeschützte Terrasse von Chören gern zum „Einsingen“ benutzt wird. Mit unvorstellbarer Empathie und Akribie wurde daran gearbeitet, den Wallfahrtsbetrieb für alle Involvierten zu optimieren, ohne ein spirituelles Disneyland entstehen zu lassen. Alt und neu greifen kongenial ineinander und bilden im Zusammenspiel ein Erlebnis für alle Sinne.
Gleiches gilt für das „Geistliche Haus“, wo historische Raumfolgen wiederhergestellt, über die Jahre zu Abstellkammern verkommene Räume aktiviert und die Privaträume der Patres und Gästezimmer je nach Erfordernis mit ausgetüftelten, stets für die Situation maßgeschneiderten Sanitärzellen, Küchennischen und zahlreichen Kleinigkeiten wie innenliegenden Fensterläden ausgestattet wurden. Pater Karl Schauer habe stets eine Vision für das gesamte Projekt gehabt, erinnern sich die Architekten. Auch einen visionären Finanzrahmen, am Beginn einen utopischen: „Wir trugen die Bausteine zusammen. Es gab immer den ganz großen Maßstab, um nicht den Überblick zu verlieren. Und es gab auch immer den ganz kleinen, um nicht von Beginn an Fehler im Detail zu machen.“
Fotos der Bauherrenpreis-Verleihung in Wien
Die weiteren Projekte nachfolgend als PDF
>> Bauherrenpreis_2017_Presseinformation
Quelle: ZV-Architekten
Weitere Infos von Frau Pfarrerin Dr. Birgit Lusche. Danke.