DIE GESCHICHTE VOM BEGINN DER GROSSEN KÜNSTLERLIEBE
LUCILLE MARCEL & FELIX WEINGARTNER
WIEN, 1908/1909
Gesungen, gespielt und erzählt von:
RITA ALVES MATOS, SOPRAN
MARIE DATCHARRY, KLAVIER
CHRISTIANE „KIKI“ WALCHER, MODERATION UND TEXT
Mit Werken von G. MAHLER, R. STRAUSS, BEETHOVEN, WEINGARTNER u.a.
Dienstag, 6. September, 18.00 – ca. 19.15 Uhr
Ort: Hotel Goldenes Kreuz, Wiener Straße 7, 8630 Mariazell
Vorverkauf: Trafik Girrer 20 Euro, Abendkasse 25 Euro
LUCILLE MARCEL UND IHR BÖSENDORFER:
EINE SPURENSUCHE
Im April 2017 traf in meiner Brüsseler Wohnung der Familienbösendorfer“ ein. Er wurde mit einem Kran durch ein großes Fenster gehievt. Da stand er nun, auf den ich so gewartet hatte. Als ich den Deckel öffnete, drang jener Geruch in meine Nase, der mir seit meiner Kindheit vertraut war. Es war ein schöner Moment des Wiedererkennens und Wiederfindens.
Dieser Bösendorfer kam nach dem 2. Weltkrieg in meine Familie und stammt aus einer halb zerbombten Villa in Wien Speising. Zunächst hatte er eine gute Zeit und wurde von meiner Mutter in ihrer Jugend intensivst und auf hohem Niveau bespielt. Als Familie und Kinder die Oberhand gewannen wurde es ruhig um das Instrument. Meine Schwester und ich spielten ohne große und anhaltende Leidenschaft. Das Klavier wechselte Stockwerke, Häuser und Städte und führte insgesamt ein stilles Leben in Vergessenheit.
Nach einer Generalsanierung in der Klaviergalerie in der Kaiserstraße stand er nun in der Rue des Ménapiens in Brüssel. Es war mir ein Bedürfnis, dieses Instrument wieder mehr der lebendigen Musik zuzuführen und seinen Weg näher zu erforschen. Denn es gab eine zusätzliche Information der Firma Bösendorfer: Die Erstbesitzerin dieses 1908 gebauten Flügels war eine gewisse Lucille Marcel, Hofopernsängerin in Wien.
Im Internet fanden sich nur spärliche Einträge über diese Dame. Selbst über das Datum und den Ort ihrer Geburt (New York 1877 oder Odessa 1887) gibt es unterschiedliche Versionen. In jungen Jahren nahm sie in Paris Gesangsunterricht bei einem der größten Tenöre seiner Zeit, dem Polen Jean de Reszke.
Im Jahre 1909 wurde sie für die Titelrolle in Richard Strauss‘ „Elektra“ für die Wiener Erstaufführung engagiert.
Zu dieser Zeit begann auch die Liebesgeschichte mit dem um vieles älteren damaligen Hofoperndirektor Felix von Weingartner, dessen dritte Frau sie 1913 wurde.
Es scheint, daß es für beide die große Liebe war, die durch den frühen Tod von Lucille Marcel im Jahre 1921 ihr irdisches Ende nahm.
Ein Ehrengrab der Stadt Wien im beschaulichsten Teil des Hietzinger Friedhofs deutet darauf hin, daß diese Liebe von beiden immer über den Tod hinaus empfunden wurde. Aber auch, daß Lucille Marcel heute niemandem mehr ein Begriff ist. Ein schönes und interessantes, aber von der Welt vergessenes Grab.
Im Jahre 2017 begann also meine Spurensuche über die Frau und Sängerin Lucille Marcel. Derzeit sind meine Hauptquellen Weingartners Lebenserinnerungen sowie erste Ergebnisse einer Durchforstung der Zeitungen Wiens zwischen 1908 und dem Todesjahr Lucille Marcel’s. Wie in einem Puzzle wird Stein an Stein gefügt und es beginnt sich das Bild einer hochtalentierten Sängerin und einer interessanten und liebenswerten Persönlichkeit herauszubilden, die trotz ihres jugendlichen Alters in kurzer Zeit in Wien eine gefeierte und hoch gepriesene Künstlerin wurde.
Mit diesem Konzert erzählen wir vom Beginn dieser großen Künstlerliebe, von der ersten Begegnung beim Vorsingen an der Wiener Oper am 31. Dezember 1908, bis zu den 1909 von Weingartner komponierten Liedern, die er Lucille in ihre damalige Wohnung im Hotel Sacher brachte und die, so meine ich, auf dem besagten Bösendorfer erstmals gespielt wurden.
Felix Weingartner wird im Konzert durch Auszüge aus seinen Lebenserinnerungen zu Ihnen sprechen. Auf ihrer Basis haben wir auch die dargebotenen Werke von Gustav Mahler, Richard Strauss, Franz Schubert und Weingartner u.a. ausgewählt.
Dieses Programm wurde erstmals in im Jänner 2020 aufgeführt, beim letzten meiner zahlreichen Brüsseler Hauskonzerte, ehe ich kurz darauf nach 35 Jahren in Moskau und Brüssel wieder nach Österreich zurückkehrte.
Es freut mich ganz besonders, daß die Portugiesin Rita Matos Alvez (Sopran) und die Französin Marie Datcharry (Klavier), zwei erfolgreiche Künstlerinnen, die mich durch meine Brüsseler Jahre begleitet haben und auch das letzte Hauskonzert in Brüssel mit mir gestaltet haben, im September 2022 nach Wien und Mariazell kommen, um diese Spurensuche weiterzuführen.
Belgeiten Sie uns auf einer Zeitreise ins Wien zu Anfang des 20. Jahrhunderts!
Christiane „Kiki“ Walcher
August 2022